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Profi-Tipps für Zwift-Events und Indoor-Rennen

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Radprofi Tanja Erath gibt Tipps für Indoor-Rennen und Granfondos auf Zwift. Über die virtuelle Radsportwelt der Zwift Academy schaffte die Medizinerin 2018 den Sprung in die höchste Liga des Frauenradsports.

Perfekt vorbereiten: Ernährung

„Wenn Ihr bei Rennen oder Events gute Leistungen erbringen wollt, ist eine gute Verpflegungsstrategie enorm wichtig – indoor wie outdoor. Allerdings gibt es einen großen Unterschied: Ihr müsst bei Wettkämpfen in virtuellen Welten, das ganze Zeug nicht mitschleppen, allerdings steht aber auch niemand am Streckenrand, der Euch verpflegt; normalerweise ;-). Denkt dran, während eines Indoor-Events habt Ihr keine Chance mehr, Flaschen nachzufüllen oder eben aus der Küche ein Gel zu holen. Wenn Ihr es doch machst, ist die Gruppe weg. Dafür könnt Ihr in aller Ruhe vor dem Start Euer eigenes Rennbüffet schön neben Rolle und Rad aufstellen. Mit allem worauf Ihr Lust habt: Riegel, Gels, Kuchen, Obst, belegte Brote bis hin zu Pfannkuchen und natürlich nicht zu vergessen die Trinkflaschen. Meine Devise daher: lieber mehr als weniger auftischen. Denn 90 Kilometer im Pain Cave kosten Energie und Flüssigkeit.“

Perfekt vorbereiten: Set-up

„Wie gerade schon beschrieben, könnt Ihr im Wettbewerb selbst keinen großen Änderungen mehr vornehmen. Daher solch ein Event wirklich so planen wie einen Radmarathon oder ein Jedermann-Rennen. Die Trinkflasche nicht nur vorher auffüllen, sondern auch in den Kühlschrank stellen. Solch kleine Dinge helfen Euch, Eure Körperkerntemperatur nicht zu stark ansteigen zu lassen und leistungsfähiger zu bleiben. Apropos Kühlung. Wenn möglich schon vor dem Warm-up die Raumtemperatur herunterregulieren über geöffnete Fenster, Klimaanlage und vor dem Start schon die Ventilatoren anschmeißen. Ich persönlich nutze oft zwei, die ich dann während des Rennens mit einem Bambusstab – meinem Magic Stick – noch regulieren kann.

Für alle, die das erste Mal bei solch einem virtuellen Gran Fondo starten, lohnt es sich, auch die Steuerzentrale am Tag zuvor schon mal einzurichten. Treffe ich im Eifer des Gefechts all die Tasten oder den Touchscreen? Ist alles gut für mich zu erreichen? Was fehlt mir? Die Fragen sich selbst im Schnelldurchlauf beantworten und gegebenenfalls nachjustieren.“

Perfekt vorbereiten: Warm fahren

„Auch wenn Ihr kein echtes Rennen fahrt und der Spaß und das gemeinsame Fahren im Vordergrund steht, wird aller Wahrscheinlichkeit nach schnell gestartet. Um nicht gleich reißen zu lassen und gut in das Event reinzukommen, vorher schon ein paar Minuten warmfahren, ohne dabei schon extrem zu schwitzen. Vergleicht es einfach mit der 15- bis 30-minütigen Fahrt vom Auto oder dem Hotel zum Start.

Ein bisschen mit den Kadenzen spielen und anschwitzen ;-). Direkt vor dem Start zwischen vier und 10 Sekunden lang – je nachdem wie schnell Ihr in die Gänge kommt – knapp über die individuelle anaerobe Schwelle hochbeschleunigen, um schon auf Touren zu sein, wenn es dann endlich losgeht.“

Im virtuellen Peloton im vorderen Drittel „bewegen“

„Das kennt Ihr sicher von den klassischen Jedermann-Rennen. Nicht ganz vorne fahren, aber in der zweiten oder dritten Reihe. Hier nutzt Ihr den Windschatteneffekt perfekt und verliert nicht den Überblick. Auf der Straße haben einige Angst im Gedränge zu stürzen – das braucht ihr auf der Rolle nicht haben. In diesen Positionen lauft Ihr auch nicht Gefahr, wenn Lücken reißen, den Anschluss zu verpassen.“

Die Zahlen im Blick haben

„Eine enorm gute Hilfestellung wie viel Watt Ihr treten müsst, gibt Euch das Scoreboard. Hier könnt Ihr ablesen, was um Euch herum für Werte getreten werden, daran könnt Ihr Euch gut orientieren. Denn manchmal tritt man unnötigerweise viel zu hart und kann mit 30 Watt weniger trotzdem ‚mitschwimmen‘.

Wenn Ihr Euren FTP-Wert kennt, solltet Ihr ihn nicht dauerhaft überschreiten, da ihr ja bei den Events zur Alpecin Cycling Series schon länger als zwei Stunde fahren werdet. Kurzzeitig könnt Ihr ihn schon überschreiten, aber auf die Länge gesehen kostet das Körner – sprich Energie.

Die Zahlen spielen auch bei den Abfahrten eine große Rolle. Da habe ich auch lange für gebraucht, das richtig umzusetzen. Wenn es leicht bergab geht, dann könnt Ihr ein wenig Druck vom Pedal nehmen, aber nicht wirklich rollen lassen. Probiert es mal im Training aus.“

Die Strecke spüren

„Zugegeben, das klingt ein wenig esoterisch angehaucht, aber ich erklär Euch, wie ich das meine. Ich kenne viele Zwifter, die fahren die ganze Zeit gegen den Widerstand, aber nicht auf der Strecke. Wenn Ihr Euch mal bewusst darauf einlasst wie sich Steigungen, Gefälle und flache Abschnitte anfühlen – ohne immer auf die getretenen Watt zu achten –, bekommt Ihr einen anderen Rhythmus. Ich habe dafür auch über 30 Rennen gebraucht. Aber in dieser Saison hat es geschnackelt – glaube ich.“

Abgehängt – was tun?

„Ihr seid aus der Gruppe rausgeflogen, weil Ihr die Geschwindigkeit beziehungsweise die geforderte Leistung nicht halten konntet oder Euer Rechner kurz offline war. Kein Problem. Locker weiter pedalieren und auf die nächste Gruppe warten. In den Fenstern könnt Ihr sehen, wann die nächsten Zwifter von hinten ranrauschen. Allerdings ist es ganz wichtig – ähnlich wie beim Start – so vier bis fünf Sekunden bevor diese Euch einholen, hochzubeschleunigen. So könnt Ihr gleich im Sog mitfahren. Steht Ihr dagegen einfach am Straßenrand und wartet, müsst Ihr nachsetzen und verpulvert unnötig Energie.“

In Abfahrten Supertuck-Position nutzen

„Gerade wenn es steil bergab geht, lässt sich die Supertuck Position – angelehnt an Chris Froomes bekannte Abfahrtshaltung nutzen –, um tatsächlich für ein paar Sekunden die Beine baumeln zu lassen. Entscheidend ist, die 58 km/h bei mindestens drei Prozent Gefälle zu überschreiten und schon nimmt Euer Avatar die aerodynamische Haltung ein und Ihr könnt kurz ausruhen.“

Taktik: Power-ups und Streckenkenntnis

„Macht Euch vorher mit der Strecke und den Möglichkeiten vertraut, an welchen Abchnitten Ihr überall Power-ups einsammeln könnt. Und denkt daran: Ihr könnt immer nur einen Power-up einsetzen beziehungsweise halten und diese nicht ansammeln. Manchmal macht es durchaus Sinn, den aktuellen Power-up „zu halten“ und diesen erst an einem bestimmten Streckenabschnitt wie die „Feder“ am Berg einzusetzen. Generell hilft Euch natürlich wie auch draußen die Strecke zu kennen. So wisst Ihr, wann Ihr eher überschwellig und wann unterschwellig fahren solltet.“

An steilen Stücken mit der Trainerschwierigkeit „spielen“

„In offiziellen Rennen ist das verboten! Aber bei gemeinsamen Rides hilft ein Herunterregulieren der Trainerschwierigkeit – beispielsweise auf 30 Prozent – gerade Einsteigern oder schweren Fahren an besonders steilen Abschnitten. Ansonsten brecht Ihr Euch ja fast die Beine, wenn Ihr mit Kadenzen von 30 bis 40 Umdrehungen pro Minute hochstampft. Das Verändern der Trainerschwierigkeit funktioniert während der Fahrt und sollte auch nur an besonders steilen Stücken genutzt werden, da es eine virtuell leichtere Übersetzung erlaubt. Probiert es vor dem Event im Training einfach mal aus“

Did not finish is not an option

„Das ist mein ganz persönlicher Rat an Euch und mein Motto. Ich habe schon früh in meiner sportlichen Laufbahn – damals noch als Triathletin – gelernt, dass ein Wettkampf, egal wie, zu Ende gebracht wird. Die Befriedigung ins Ziel gekommen zu sein, ob virtuell oder real, ist nämlich durch nichts zu ersetzen.“

Viel Spaß und Erfolg
Tanja

Fotos: mr.pinko/Stefan Rachow, privat