Das Coronavirus hat uns voll im Griff. Was bedeutet das für uns Hobbyradsportler – und wie sollten wir mit dieser Gefahr umgehen? Alpecin Cycling hat dazu mit Dr. Helge Riepenhof ein Interview geführt. Der Arzt der deutschen Radnationalmannschaft und Chefarzt der Sport- und Rehabilitationsmedizin im BG Klinikum Hamburg erklärt, was jetzt wichtig ist. (Stand: 20. März 2020)
Wie ungefährlich ist es, draußen Rad zu fahren?
Nach allem, was wir Mediziner Stand heute wissen, spricht nichts dagegen, sich draußen aufzuhalten und dort auch aktiv zu sein. Die Übertragungswege sind outdoor sogar geringer als indoor, da sich das Virus an der frischen Luft schneller verflüchtigt. Trotz allem müssen die Maßnahmen, die angeordnet sind, auch draußen umgesetzt werden. Das bedeutet – ob ich jetzt spazieren gehe, jogge oder Rad fahre – , genügend Abstand zu halten zu den Menschen, denen ich begegne. Sie also im großen Bogen überholen. Aber natürlich müssen primär erstmal die lokalen Richtlinien der Behörden befolgt werden.
Fahren in der Gruppe ist demnach verboten?
Ja. Auch die Profi-Teams haben ihren Fahrern Einzeltraining verordnet, um das Risiko zu minimieren. Klar, kann ich mit einem Familienmitglied, mit dem ich zusammenwohne, Sport treiben; das war es dann aber auch schon.
Sollte ich es vermeiden, Dinge draußen anzufassen?
Hier gibt es die unterschiedlichsten Aussagen über die Lebensdauer des Virus` an Oberflächen. Generell empfiehlt es sich, nichts anzufassen. Wenn es sein muss, wie bei der Ampel, vielleicht nicht gerade mit den Fingerspitzen, sondern bei den Kontaktflächen mit Rückhand oder Oberarm. Ansonsten hinterher kurz die Hände desinfizieren, da man sich beim Sport ja doch öfters ins Gesicht fasst. Was mir aber in dem Zusammenhang fast noch wichtiger erscheint: Der Cafe-Stopp, und sei er nur an der Tankstelle, sollte tunlichst vermieden werden. Lieber beide Trinkflaschen mitnehmen und genug Riegel bzw. Proviant in die Trikottasche stecken.
Es wird immer wieder gefordert, man sollte das Rad fahren als Sport unterlassen, da der Athlet im Falle eines Unfalls medizinische Kapazitäten in Anspruch nimmt, die anderweitig benötigt werden?
Hier schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Aus Rettungsmedizinersicht ist das Argument nicht von der Hand zu weisen. Als Arzt besonders als Sportmediziner weiß ich aber auch, wie wichtig Bewegung ist. Sie stärkt ja nicht nur die Physis, sondern auch unsere Psyche. Stresshormone werden durch Bewegung reduziert, wir werden auch gelassener. Zudem wird unser Immunsystem gestärkt, wenn wir aktiv sind. Ein gewisses Risiko gibt es auch bei der täglichen Hausarbeit; wir können den Menschen jetzt nicht dazu zu raten, im Bett liegen zu bleiben. Ich finde, hier sollte jeder mit Augenmaß, das für ihn Richtige tun; also eher defensiv mit dem Gravel- oder Mountainbike durch den Wald und über die Wiese fahren, oder mit dem Rennrad abseits der viel befahren Straßen unterwegs sein.
Sie sprachen eben vom Immunsystem. Schwäche ich das durch den Sport nicht auch?
Jein. Hier kommt es immer auf die Intensität an. Fünf Stunden lange Ausfahrten ohne Kohlenhydrate sind genauso kontraproduktiv und verringern die Abwehrbereitschaft des Immunsystems wie ein hartes hochintensives Intervalltraining. Stattdessen lieber für ein bis zwei Stunden durch die Landschaft cruisen, dabei vielleicht auch mal berghoch auf Zug fahren, sich aber nicht komplett auspowern. Wer sich dann dazu gesund ernährt, braucht nicht ein erhöhtes Infektrisiko befürchten. Kleiner Tipp: Nicht direkt nach dem Sport zum Einkaufen gehen, aber das gilt nicht nur in diesen Zeiten.
Wäre dann Indoor-Training auf der Rolle nicht die bessere Alternative?
So lange man noch darf, würde ich immer an der frischen Luft Sport treiben. In der Natur unterwegs zu sein, ist ja auch ein Stück Lebensqualität. Zuhause würde ich dann eher die Zeit darauf verwenden, mich um die ansonsten bei vielen Hobbyradsportlern vernachlässigte Rumpfmuskulatur kümmern. Da gibt es viele schöne Übungen aus dem Core-Training oder Yoga, die die Muskulatur stärken und uns aufdehnen – gerade nach langen Tagen im Home-Office.
Was tun, wenn ich mich nicht richtig fit fühle?
In der heutigen Zeit bin ich da sehr strikt. Bei Husten, Halsweh oder Fieber klares Sportverbot, bzw. häusliche Quarantäne. Dann lieber spazieren gehen. Bei einer verstopften Nase locker beginnen, und wenn es in den ersten 15 Minuten nicht besser wird, einfach umdrehen.
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