Start Training Trainingssteuerung per Herzfrequenz, Leistung oder Körpergefühl?

Trainingssteuerung per Herzfrequenz, Leistung oder Körpergefühl?

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Wie sollten Rennradfahrer ihre Trainingsintensität steuern und überwachen – per Gefühl, Herzfrequenz oder besser Leistung? Alpecin Cycling nennt die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden.

Die KOMs auf Strava zählen. Sie sind die harte Währung unter Rennradfahrern. Kurz dahinter kommt schon der erzielte „Kilometer-Schnitt“ auf der Hausrunde. Keine Fahrt also ohne Rekordjagd. Und so wird vielfach das Training per Geschwindigkeit gesteuert und überwacht und der Leistungsfortschritt danach beurteilt.

Kann man machen. Wer aber sinnvoll trainieren will, sollte sich auf andere Parameter verlassen. Welche Steuerungsparameter und Helfer Sinn machen, wie sich die Trainingsintensitäten exakt bestimmen und die Belastung optimal messen lassen, erfahren Sie hier:

Intensität via Herzfrequenz steuern

Die Herzfrequenz repräsentiert sehr gut die Erschöpfung des Körpers und ist so ein guter Indikator für die richtige Belastungsdosis beziehungsweise den Trainingsload. Gerade bei aufeinanderfolgenden beziehungsweise nach intensiven Einheiten.

Wer den Ruhepuls gut über eine längere Zeit selbst ermitteln und so für sich selbst eine Baseline festlegen kann, sollte die Herzfrequenz zu den unterschiedlichen Trainingsbereichen per Test ermitteln. Oft werden immer noch aus der Faustformel für maximale Herzfrequenz „220 minus Lebensalter“ die Trainingsbereiche abgeleitet.

Das ist leider zu einfach gedacht, da die maximale Herzfrequenz so individuell wie ein Fingerabdruck ist. So können zwei gleichaltrige Sportler komplett unterschiedliche Maximalwerte und darüber hinaus noch ganz unterschiedliche Trainingsbereiche haben.

Wer also wirklich wissen will, wo seine Trainingsbereiche liegen, sollte im Idealfall eine Leistungsdiagnostik im Labor, Remote oder aber einen Feldtest machen, um zu wissen, wo seine Intensitätsbereiche liegen.

Trotz aller Test und Untersuchungen gilt beim Training per Herzfrequenz folgendes zu beachten: Der Puls reagiert träge bzw. verzögert. Ein Grund, warum sich gerade Intervalle an beziehungsweise oberhalb der individuellen anaeroben Schwelle nur sehr schwer per Herzfrequenz steuern lassen. Alles, was über der Schwelle liegt, wie intensive VO2max-Intervalle lassen sich nur per Leistung oder bei sehr sehr routinierten Sportlern per Gefühl steuern.

Allerdings zeigt die Herzfrequenz schonungslos den Stress an, unter dem sich der Organismus gerade befindet. Also sie reagiert nicht nur auf die Intensität der sportlichen Betätigung, sondern auch auf Faktoren wie Flüssigkeitszufuhr, Ernährung sowie Höhe und Hitze. Und hier kommt dem „Puls“ eine eminent wichtige Bedeutung zu. Er warnt gut vor Überforderung.

Belastungssteuerung per Gefühl

Für viele Coaches von Profis der wichtigste Parameter – nicht nur im Training, sondern auch in Ruhe. Dieses Körpergefühl ist daher auch das Kapital der Profi-Athleten. Sie wissen wie sie es gerade in Extremsituationen, z.B. im Rennen bei Hitze etc. einsetzen und darauf vertrauen können.

Dieses subjektive Belastungsempfinden, so der sportwirtschaftliche Fachterminus, ist durchaus ein Parameter mit dem auch Hobbysportler arbeiten sollten, vorausgesetzt sie ordnen die unterschiedlichen Grade der Anstrengung bzw. der Erschöpfung den Trainingsbereichen zu.

Um ein Gefühl für dieses subjektive Belastungsempfinden zu bekommen, ist es erforderlich sein Gefühl zu schulen und das Leistungslimit zu erfahren, um ein Feedback des Körpers –meist eine Kombination aus Brennen in den Beinen und Atemnot zu bekommen.

Nachteil dieses „körpereigenen Leistungsmesssystems“ ist allerdings, dass es wie auch der Puls der eigentlichen verrichteten Arbeit hinterhinkt. Die ersten Minuten bei höheren Intensitäten fühlen sich immer noch gut an, erst nah einer gewissen Zeit, macht sich die Anstrengung bemerkbar.

Wer um diese Gefühlsduselei seines Körpers weiß, dem kann es eine gute Hilfestellung sein. Spätestens auf ihren Körper und sein Feedback vertrauen sollten Hobbysportler dann im Rennen. Denn wer den Blick nur aufs Display seines Radcomputers richtet und nach Werten fährt, dem vergeht der Spaß; und auch der Erfolg wird sich nicht einstellen.

Belastungssteuerung per Borg-Skala

Wer den Grad seiner Anstrengung besser einschätzen möchte, hat die Möglichkeit, sein subjektives Empfinden per sogenannter Borg-Skala selbst zu bestimmen. Diese Intensitätsbestimmung des schwedischen Wissenschaftlers Gunnar Borg reicht von 6 bis 20, da die Multiplikation des jeweiligen Werts eine Orientierung an der jeweiligen Herzfrequenz ermöglichen sollte.

Entscheidender ist aber, dass sich den einzelnen Werten der Borg-Skala auch Trainingsbereiche zurechnen lassen.

Borg-SkalaIntensität Trainingsbereich
6keine Anstrengung  
7–8sehr, sehr leicht  
9–10sehr leicht Kompensationsbereich  
11–12recht leicht Grundlagenausdauer 1
13–14etwas anstrengender Grundlagenausdauer 1/2
15–16anstrengend Grundlagenausdauer 2
17–18sehr anstrengend Entwicklungsbereich
19sehr, sehr anstrengend Spitzenbereich
20zu stark, geht gar nicht mehr Spitzenbereich

Training nach Leistung

Wer sein Training nach Watt steuert, bekommt die tatsächlich verrichtete Muskelarbeit angezeigt: unbestechlich, objektiv und vergleichbar – im Gegensatz zu Gefühl und Puls. Der Powermeter zeigt dem Athleten die Leistung an, die er im Moment erbringt.

Ganz ohne Zeitverzögerung wie etwa bei der Herzfrequenz, Der Vorteil eines Powermeter liegt darin, dass er anzeigt, was von der aufgebrachten körperlichen Energie des Radsportlers tatsächlich als messbare Leistung aufs Pedal gebracht wird.

Das Training nach Watt schließt äußeren Einflüsse wie Wind oder Streckenprofil komplett aus. Auch entlarvt diese Messmethode Rouleure und Hinterradlutscher, denn während Rollphasen erscheint unerbittlich eine Null auf dem Display.

Allein der Leistungsgedanke zählt bei dieser Art der Trainingssteuerung, per Leistungsmesser, die es mittlerweile schon ab rund 300 Euro gibt, können auch ambitionierte Hobbysportler die Intensitäten der einzelnen Einheiten exakt steuern und so ein Unter- wie Überfordern verhindern. Wer seine Werte kennt, kann den Leistungsmesser auch über lange Strecke als sogenanntes Pacing-Tool einsetzen.

Fazit: Der Mix aus Leistung, Herzfrequenz und Gefühl macht’s

Jede dieser Methoden besitzt Vor- und Nachteile. Weniger entscheidend für viele Hobbysportler ist die Art der Steuerung, viel wichtiger ist die vorgegebenen bzw. selbst ermittelten Trainingsbereiche auch einzuhalten und sie in einem Trainingstagebuch – analog oder digital – festzuhalten sowie zu analysieren.

Ständiges Springen von einen zum anderen Parametern bzw. Messsystem sorgt nur für absolute Verwirrung. Generell ist es spannend das Zusammenspiel aller Größen zu beobachten. Trotz aller Objektivität und Unbestechlichkeit des Powermeters sollten Sportler die Pulsanzeige beim leistungsgesteuerten Training immer beachten.

Denn die Herzfrequenz ist ein physiologischer Parameter, der Feedback auf die körperliche Beanspruchung gibt – und auch externe Stressoren wie Hitze, Energieversorgung und Ermüdung berücksichtigt.

Auch wer nur mit Herzfrequenz trainiert und in sich hinein hört, kann sehr viel über seinen Körper lernen und erkennen, wie er auf bestimmte Situationen reagiert. Und genau so wichtig ist es natürlich, die Trainingsbereiche alle 3 Monate  zu überprüfen, schließlich verschieben sich die Werte im Idealfall zum positiven. So kann es sein, dass man im Grundlagenbereich mehr Leistung erbringen kann, bei einer niedrigeren Herzfrequenz – aber das Gefühl bleibt gleich. Bei gleichem Belastungsempfinden fährt man somit einfach schneller.

Fotos: Kathrin Schafbauer, Felix Homann