Ready to Race? Nur noch wenige Tage bis zum Startschuss. Florian Geyer, Sportwissenschaftler und Coach, gibt wichtige Tipps, wie Radsportler sich perfekt aufs Rennen vorbereitest.
Countdown: Training in den letzten Tagen vor dem Rennen
In der letzten Woche vor dem Wettkampf solltest Du den Trainingsumfang herunterfahren, damit Du frisch und ausgeruht am Start stehst. Also eher kürzere Einheiten fahren, die nicht länger als eineinhalb bis drei Stunden dauern – je nach Leistungsniveau. Je näher der Wettkampf rückt, desto weniger wird trainiert und die „gewonnene“ Zeit in Regeneration investiert. Im Idealfall solltest Du in den Tagen vor dem Rennen auf ausreichend Schlaf von mehr als sieben Stunden kommen. Zudem sollte zwei bis drei Tage vor dem Wettkampf die letzte „echte“ Trainingseinheit stattfinden. Dabei kannst Du gleich noch das Rad einmal gründlich inspizieren – siehe Materialcheck.
Die klassische Vorbelastung am Tag davor, wie sie von vielen Experten empfohlen wird, lässt sich nicht verallgemeinern. Es gibt Sportler, die das hervorragend vertragen und geradezu brauchen, um am nächsten Tag ihre Leistung voll abrufen zu können. Ich kenne aber auch genug Hobbyfahrer, die völlig ausgeruht ins Rennen gehen sollten und am Vortag nur für eine halbe Stunde im Kompensations- und GA1-Bereich die Beine kreisen lassen. Was ganz sicher hilft, ist nach einer längeren Anreise noch mal ganz kurz für 20 bis 30 Minuten aufs Rad zu gehen und locker zu kurbeln.
Materialcheck von Rennrad und Equipment
Eine lockere Trainingseinheit kurz vor der Abreise solltest Du zum finalen Materialcheck nutzen. Ganz wichtig: keine Veränderungen mehr an der Sitzposition vornehmen und auch keine Teile wie Sattel, Pedale und Lenker tauschen.
Folgende Teile“inspizieren“:
- alle Schrauben am Fahrrad kontrollieren, auch die an den Schuhplatten
- Gangschaltung und Bremsen überprüfen, ggf. einstellen
- Akkus des Schaltsystems und des Powermeter aufladen
- Reifendruck checken
- Reifen auf Beschädigungen überprüfen
- darauf achten, ob die Kette geölt ist
Perfekte Vorbereitung: To-Do’s vor dem Rennen
Der Tag vor dem Rennen eignet sich hervorragend, um alles für den großen Tag vorzubereiten. Nachdem Du die Startunterlagen abgeholt hast, checkst Du die Wettervorhersage für den Renntag. Danach ist es hilfreich, auf dem Bett alles auszubreiten, was am morgigen Tag an Bekleidung und Material am Mann beziehungsweise am Rad sein soll.
Das sollte sein: Neben der Rennbekleidung – eine Windweste ist auch bei schönstem Wetter in den Bergen ein Muss – Ersatzschlauch, Reifenheber, Ventilverlängerung inkl. Werkzeug, Mini-Tool, Pumpe, Geld und je nach Gusto das Smartphone.
Anschließend die Startnummer am Rad befestigen und das Ersatzmaterial in der Satteltasche verstauen sowie gegebenenfalls am Rad befestigen.
Danach hast Du noch Zeit, die Strecke zu checken und Dir folgende Fragen zu beantworten: Wo und wie lang sowie steil sind die Anstiege? Wo befinden sich die Verpflegungsstationen und Gefahrenstellen auf der Rennstrecke? Wie die Profis, darfst und sollst Du Dir auch die neuralgischen Infos auf einen Zettel bzw. Textilband auf den Vorbau oder das Sitzrohr kleben.
Mit dem Wissen um die Positionen der Verpflegungsstationen ist Dein nächster Schritt, Dir einen Ernährungsplan fürs Rennen zu überlegen.

Warmfahren vor dem Wettkampf
Auch das Warmfahren am Wettkampftag selbst ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen hilft Dir solch ein Warm-up natürlich, den Organismus auf die kommende hohe Belastung vorzubereiten. Das bringt Dir allerdings wenig, wenn Du danach – wie bei großen Rennen üblich – erst einmal 45 Minuten bis eine Stunde im Startblock stehst, bevor es endlich losgeht. Da ist die Gefahr, dass Du Dich angeschwitzt auskühlst, viel zu groß. Aber von Deiner Unterkunft 15 Minuten zum Start zu kurbeln, hilft dabei, Nervosität abzulegen, noch einen letzten Material-Check vorzunehmen; und außer Reichweite von anderen Deinen Powermeter oder Deine Herzfrequenzgurt mit Deinem Radcomputer zu pairen.
Ernährung: Essen und Trinken vor und während des Rennens
Hier ließen sich Bücher darüber schreiben, daher das Wichtigste in Kürze: Drei bis vier Tage vor dem Rennen kohlenhydratreicher essen als sonst. Das bedeutet jetzt aber nicht Kuchen, Süßigkeiten und Chips vor dem Fernseher zu snacken, sondern die Sättigungsbeilagen anders zu „gewichten“ – mehr Nudeln, Reis, Kartoffeln und Brot. Anstatt Mineralwasser, darfst Du jetzt auch Fruchtsaftschorlen oder einen Smoothie trinken. Obwohl Ballaststoffe sehr gesund für Deinen Darm sind – in den beiden letzten Tagen vor dem Rennen auf Salat und Gemüse verzichten.
Am Morgen des Renntages solltest Du idealerweise zwei bis drei Stunden vor dem Start frühstücken. Porridge und selbstgemachtes Müsli bieten Dir komplexe Kohlenhydrate, die Deinen Blutzuckerspiegel nicht zu stark ansteigen lassen und von denen Du später noch profitierst. Trinken nicht vergessen: 0,5 bis 1 Liter sollten es schon sein, da Du in der Nacht beim Schlafen auch Flüssigkeit verloren hast.
Dein Proviant für unterwegs hast Du am besten schon am Vorabend zusammengestellt. Mein Tipp: eine Flasche mit einem kohlenhydrathaltigen Getränk (Iso) und eine Flasche mit Wasser. Dazu Riegel und Gels, die Du kennst und verträgst. Informier Dich auch, was es an den Verpflegungsstellen gibt und nimm Dir sonst, wenn Du unsicher bist, mehr eigenen Proviant mit. Geh keine Experimente ein, denn Dein Magen-Darm-Trakt reagiert unter Belastung sehr sensibel.
Im Rennen solltest Du 60 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde aufnehmen und ungefähr einen dreiviertel bis einen Liter trinken. Es wird zwar vielfach davon gesprochen, dass Sportler bis zu 90 Gramm Kohlenhydrate in der Stunde aufnehmen können. Allerdings muss dafür der Magen-Darm-Trakt schon trainiert sein und ein gewisses Leistungsniveau vorliegen. Mit den 60 Gramm bist Du auf der sicheren Seite. Check einfach die Nährwertangaben auf Riegeln, Gels und beim Getränkepulver, um zu wissen, wie viel wo drin ist.
Ganz wichtig: Entweder Wasser zusammen mit Riegel und Gel aufnehmen oder aber ein kohlenhydratreiches Getränk trinken. Aber bitte nie Kohlenhydrate aus unterschiedlichen Quellen aufnehmen, da es sonst vorkommen kann, dass die Relation zwischen Kohlenhydraten und Flüssigkeit ungünstig wird. Der Nahrungsbrei hat dann eine schlechte Konsistenz, ist zu „zäh“ und Dein Magen-Darm-Trakt kann die Energie nicht aufnehmen. Wen es interessiert: einfach „osmotischer Sog“ googeln.
Im Rennen selbst halte ich es so: Ich beginne nach einer halben bis dreiviertel Stunde zu essen sowie zu trinken; und dann regelmäßig. Idealerweise lässt sich auf der Ebene bzw. bei geringeren Intensitäten gut ein Riegel essen und zusammen mit Wasser herunterspülen. Wird es anstrengender, wie am Berg oder in der letzten Rennstunde, greife ich zu Gels mit Wasser oder meiner Iso-Flasche.

Taktik im Rennen – für Hobbyradsportler genauso wichtig wie für Profis
Oft werde ich gefragt: Wie soll ich mir meine Kräfte im Rennen einteilen? Es ist von Vorteil, sich vorher eine taktische Marschroute zurechtzulegen und ein eigenes realistisches Ziel zu formulieren. Hier sollten Rookies und Einsteiger eher tiefer stapeln und sich hinterher über das Geleistete freuen. Solch eine Zielsetzung bewahrt einen übrigens auch davor, am Anfang gleich mit den Starken mitzugehen, was für eine gewisse Zeit sicher auch möglich ist, sich hinten raus aber bitter rächt.
Um daher nicht gleich alle Körner zu verballern, solltest Du Dich überwiegend im GA1- und GA2- Bereich aufhalten; sprich unterhalb der anaeroben Schwelle. Denn dort ist der Kohlenhydratverbrauch weitaus geringer als über der Schwelle. Natürlich ist es sinnvoll nach Kurven kurz anzutreten, um ein Loch zu schließen oder mal einen Fahrer zu überholen. Doch da handelt es sich nur um wenige Sekunden. Tendenziell geht es aber im Rennen darum, Energie zu sparen und erst gegen Rennende, beispielsweise in der letzten Stunde, noch mal alles rauszuhauen, was Du hast. Kurze Anstiege können natürlich knapp über der Schwelle gefahren werden, das gilt allerdings wirklich nur für kurze Anstiege mit einer Fahrzeit von weniger als zehn Minuten. Lange Anstiege, wie bei einem Alpenmarathon, solltest Du auch wieder unter beziehungsweise an der Schwelle fahren. Hier ist es hilfreich, wenn Du Dir „Watt-Korridore“ oder Pulszonen vorgibst, in dem Du die Anstiege fahren möchtest. Das schützt Dich gerade am Anfang vor dem gefürchteten Überpacen.
Wenn Du im Feld gut mitschwimmen kannst, halte Dich im ersten Drittel auf. So kannst Du noch ganz gut sehen, was vor Dir passiert und Du vermeidest den Ziehharmonika-Effekt, den es am Ende des Pelotons nach den Kurven gibt.
Hast Du Dir deine Kräfte gut eingeteilt, wirst Du spätestens ab der Hälfte des Rennens viele Fahrer überholen und von Gruppe zu Gruppe nach vorne springen – das motiviert ungemein.
Jetzt gilt es nur noch, Dir viel Spaß zu wünschen.
Fotos: Alpecin Cycling/Henning Angerer, Alpecin Cycling/Stefan Rachow
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