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Fab Four: Die Leistungskurve der Tour de France-Favoriten

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Der zweite Teil der ‚Fab Four‘-Formbarometer zur Tour de France 2024: Welche Leistungen zeigten Jonas Vingegaard, Tadej Pogacar, Remco Evenepoel und Primoz Roglic in den bisherige Rennen und wer ist auf Kurs „Gelbes Trikot“?

In diesen Kolumnen begleitet Bernd Landwehr, Chefredakteur des Cyclingmagazine, die vier Top-Favoriten auf ihrem Weg zum Grand Depart der Tour de France. Er analysiert ihre Vorbereitung analysiert, ordnet die Leistungen ein und lässt so ein „Tour-Barometer der Fab Four“ entstehen. 

Hier die erste Folge mit allen Infos.

Folge 2 – Das Frühjahr der Tour-de-France-Favoriten

Jonas Vingegaard – Der Däne eilt von Sieg zu Sieg

27 Jahre / Team Visma | Lease a Bike / Grand Tour-Siege: 2 x Tour / Tour-Teilnahmen: 3

Zwei Rennen, zwei Gesamtsiege – ein Saisonstart nach Maß gelang Jonas Vingegaard. Der Däne hat in 11 Renntagen bereits fünf Etappensiege eingefahren. Dazu holte er bei O Gran Camiño und Tirreno-Adriatico souverän den Gesamtsieg. Ein wirklich beeindruckender Start in das Jahr 2024.

Vor allem bergauf überzeugte der Tour-Titelverteidiger. Ob Lenny Martinez, Egan Bernal, Juan Ayuso oder Jai Hindley – der Konkurrenz war Vingegaard bislang überlegen. Sein Team brachte ihn stets sicher bis zum entscheidenden Anstieg, dann zog der Däne spielerisch davon. Sehr beeindruckend.

Mit den beiden Siegen im Gepäck und reichlich Selbstbewusstsein geht es nun zur Baskenland-Rundfahrt. Dort wird er dann erstmals mit Remco Evenepoel und Primoz Roglic auch auf zwei weitere Fab Four-Kandidatentreffen. In seiner derzeitigen Verfassung muss ihm aber nicht bange sein, vor allem in den Bergen. 

Bislang läuft es nahezu perfekt für Vingegaard und er scheint seine Favoritenrolle auf den Toursieg 2024 nachdrücklich zu unterstreichen.

Tadej Pogacar – Die neue spielerische Leichtigkeit

25 Jahre / UAE Team Emirates / Grand Tour-Siege: 2 x Tour / Tour-Teilnahmen: 4

Der Slowene ist sensationell in die Saison gestartet. Tadej Pogacar hat seine Leichtigkeit auf dem Rad dabei vielleicht sogar auf ein ganz neues Level gehoben. Sein Sieg bei der Strade Bianche mit einem beeindruckenden Solo war der perfekte Start ins Jahr 2024. 

Bei Mailand-Sanremo lief es nicht wie gewünscht – am Ende Rang drei. Das lag aber weniger an Pogacar selbst, sondern am „zu leichten Rennen“, wie er im Ziel sagte. Denn eigentlich hätten seine Teamkollegen das Rennen schon vor dem Poggio so schwer machen sollen, dass der Konkurrenz bei seiner Attacke am letzten Anstieg die Beine streiken. Das passierte jedoch nicht, weil die UAE-Mannschaft schlicht nicht stark genug war.

Bei der Katalonien-Rundfahrt stellte sich die Frage nach einem potenziell zu leichtem Rennen nicht. Denn Tadej Pogacar nutzte einfach das bergige Terrain, um der Radsportwelt zu zeigen, was er zu leisten im Stande ist. Vier Etappensiege, alle Sonderwertungen – ausgenommen der Nachwuchswertung, denn Pogacar ist mit seinen 25 Jahren dieser Wertung etwachsen. 

Es sind nicht nur die reinen Ergebnisse, die beeindrucken. Poagcar hatte am Ende der einwöchigen Rundfahrt mehr als dreieinhalb Minuten Vorsprung in der Gesamtwertung. Eine Welt! Pogacar fuhr scheinbar mühelos davon, zelebrierte eine Leichtigkeit, die so nur selten zu sehen ist.

Sein reduziertes Programm in Richtung Giro d’Italia sieht nur noch den Start bei Lüttich-Bastogne-Lüttich vor. Sehr zum Leidwesen der belgischen Radsportfans, die sich diesen Ausnahmekönner zur Flandern-Rundfahrt wünschen. 

Doch nicht in diesem Jahr, denn Tadej Pogacar hat einen ambitionierte Plan! Erst zum Giro, dann zur Tour – bislang, scheint es perfekt für ihn laufen.

Primoz Roglic – Startschwierigkeiten im neuen Team

34 Jahre / Bora-hansgrohe / Grand Tour-Siege: 3 x Vuelta, 1 x Giro / Tour-Teilnahmen: 5

Mit großer Spannung war der Saisonstart von Primoz Roglic erwartet worden. Paris-Nizza war als erstes Rennen im Trikot von Bora-hansgrohe ausgewählt worden. Ein gutes Terrain, für den Slowenen, denn bisher trat er dort stark auf. 2022 hatte er das Rennen gewonnen, im Jahr zuvor am letzten Tag durch einen blöden Sturz das Leadertrikot verloren, nachdem er zuvor sehr souverän in Führung lag. 

Doch anders als in den vergangenen Jahren, gelang 2024 kein guter Saisoneinstand. Am Ende stand Gesamtrang zehn – mehr als fünfeinhalb Minuten Rückstand zu Gesamtsieger Matteo Jorgenson und satte fünf Minuten Rückstand auf Remco Evenepoel. Roglic war einfach nicht auf dem Level, gegen Evenepoel zu bestehen. Beim Teamzeitfahren übernahm er sich – beziehungsweise seine Teamkollegen – als er im ersten Drittel derart aufs Gas drückte, dass die Kollegen nicht folgen konnten und so auf dem langen Weg ins Ziel schlicht die Menpower fehlte. 

Vor allem bergauf fehlt es Roglic noch. Die Attacken konnte er nicht kontern, musste mehrfach früh reißen lassen. Ungewöhnlich, für den Routinier. 

Das Team Bora-hansgrohe gab sich große Mühe, das Abschneiden den neuen Stars nicht zu hoch zu hängen, wies auf die Kälte hin und die Umstände, dass sich Roglic im neuen Team noch finden müsse. All zu lang sollte sich dieser Findungsprozess nicht mehr hinziehen, sonst steigt der Druck und kommen Zweifel auf. Auch bei den Teamkollegen. Das Team reagierte und nahm für Roglic nun doch Ardennen-Klassiker in sein Rennprogramm auf. 

Noch ist Zeit bis zum Saisonhighlight im Sommer, man arbeitet weiter akribisch. Direkt nach Paris-Nizza ging es zum Aerotest. Doch nach dem schwachen Saisonstart sollten sich besser schnell Erfolge einstellen. Bei der Baskenland-Rundfahrt trifft er auf Vingegaard und erneut Evenepoel. Fans und Team werden genau hinschauen, ob er diesmal mithalten kann. Im Moment ist er von den Fab4 wohl eher ein Außenseiter, als einer Tour-Favorit.

Remco Evenepoel – „Im Soll“ bei Paris-Nizza

24 Jahre / Soudal-Quick Step / Grand Tour-Siege: 1 x Vuelta / Tour-Teilnahmen: 0

Mit zwei Siegen in Portugal war der Belgier sehr gut ins Jahr 2024 gestartet. Die Fernfahrt Paris-Nizza war dann der erste echte Härtetest. Am Ende sprang der Etappensieg am Schlusstag und Gesamtrang zwei heraus. Nicht perfekt, aber doch ein sehr gutes Ergebnis. Matteo Jorgenson nutzte das Belauern der Konkurrenz und spielte das Rennen taktisch gut zu Ende, war zudem bergauf nahezu auf Augenhöhe mit Evenepoel. Vermutlich ist Rang zwei bei Paris-Nizza für Evenepoel keine große Niederlage. 

Doch der Belgier tritt bislang nicht ganz so souverän auf, wie beispielsweise Vingegaard oder Pogacar. Klar, Evenepoel will wohl bei den Ardennen-Klassikern seinen ersten Peak erreichen und dort auch eine gewisse Spitzigkeit zeigen können. Doch übermächtig war er bei Paris-Nizza nicht.

Bei Evenepoel wirkt es zuweilen so, als gäbe er sich besonders große Mühe, die Lücke zwischen seinem Anspruch und der Wirklichkeit nicht thematisieren zu wollen. Der junge Belgier hat ein enormes Talent und vielleicht einen noch beeindruckenderen Ehrgeiz. Bislang lief es mehr als nur ok, doch bei der Baskenland-Rundfahrt muss er es nun mit Jonas Vingegaard aufnehmen – sicher ein anderes Kaliber als Matteo Jorgenson. Vor allem die heimischen Medien verfolgen jede Pedalumdrehung des Belgiers, begleiten ihn auf dem Weg zur Tour de France besonders kritisch. 

Was Remco Evenepoel von den anderen drei Top-Favoriten unterscheidet, ist die mangelnden Erfahrung in Sachen Tour de France. Evenepoel wird sein Debüt geben, während der Rest dort schon auf dem Podium stand. So kann der Belgier allerdings auch locker sagen, dass er erstmal Erfahrungen sammeln möchte und seine Chancen ein wenig ausloten. Beim Rest ist der Sieg das Ziel, alles andere eine Art Niederlage. 

Zumindest nach außen ist es für Evenepoel leichter, den Druck von sich zu schieben. Für seine eigenen Ansprüche, will er seinen Hunger nach Erfolgen am liebsten bei jedem Rennen stillen. Kann gut sein, dass er seine Ambitionen in Sachen Tour nach der Baskenland-Rundfahrt neu sortiert – je nach Ergebnis. Wie viel davon nach außen dringt, bleibt abzuwarten.

Fab Four: Das Form-Barometer der Tour de France-Favoriten – Teil eins

Fotos: © A.S.O./Pauline Ballet, © Roth&Roth